Was unterscheidet den Frauenfußball vom Männerfußball?

Die letzten Jahren führen Vereine wie FC Bayern, VFL Wolfsburg und 1899 Hoffenheim, die eigentlich aus dem Männerfußball bekannt sind, die Bundesliga der Frauen an. Doch wie weit sind die Frauen noch vom Männerfußball entfernt?

Die sportlich erfolgreichste Zeit der deutschen Nationalmannschaft der Frauen liegt mit zwei WM-Titeln (2003, 2007) und zahlreichen Europameisterschaften einige Jahre zurück. Einen weiteren Höhepunkt stellte die Austragung der Frauen-WM 2011 in Deutschland dar, die zu einem weiteren Anstieg an spielenden Mädchen führte. Obwohl der letzte große Titel, das olympische Gold 2016, auch bereits vier Jahre zurück liegt, hat sich der Frauenfußball in seiner Professionalität und Qualität stetig weiterentwickelt. Inzwischen führen Vereine wie FC Bayern, VFL Wolfsburg und 1899 Hoffenheim, die eigentlich aus dem Männerfußball bekannt sind, die Bundesliga der Frauen an. Deshalb möchten wir heute zwei Arbeiten vorstellen, die den Frauenfußball in seinen Bedingungen und Anforderungen mit dem Männerfußball vergleichen.

Geschlechtsspezifische Besonderheiten der konditionellen Anforderungen im Hochleistungsfußball der Frauen (Jansen et al., 2011)

Ressourcenmodell, Leistungsdiagnostik und Training der konditionellen Fähigkeiten im Frauen- und Männerfußball (Freiwald et al., 2011)

Ziel des Beitrags

Der Hochleistungsfußball der Frauen soll mit dem der Männer verglichen werden. Dabei geht es nicht darum, konditionelle Differenzen aufzudecken und zu bewerten. Stattdessen sollen Ressourcen identifiziert werden, die im Frauenbereich ebenfalls genutzt werden können. Da sich die generelle Forschung hauptsächlich mit dem Männerfußball beschäftigt hat, ist dies ein wichtiger Schritt, um den Frauenfußball weiter zu verbessern und zu professionalisieren.

Professionalisierung und Infrastruktur

Viele der Fußballerinnen der Bundesliga, der höchsten deutschen Spielklasse, üben neben dem Fußball eine weitere Tätigkeit aus (Beruf, Studium, Ausbildung, etc.). Dies ist eine Doppelbelastung, die es im vollprofessionellen und hochbezahlten Männerfußball nicht gibt. Die Doppelbelastung ist mit Problemen behaftet, weil zum Beispiel soziale Kontakte darunter leiden. Diese Umstände sind allgemein nicht leistungsförderlich.
Ein weiterer Punkt ist die Infrastruktur im Frauenfußball, bezogen auf Aspekte wie Platz- und Trainingsbedingungen, Personal, medizinische/physiotherapeutische und trainingswissenschaftliche Betreuung. Auch wenn in diesem Bereich große Fortschritte zu erkennen sind (auch seit der Veröffentlichung dieser Studie [Anm. d. Autors]), ist die Infrastruktur der meisten Frauenvereine stark ausbaufähig.

Spielbelastungen

Während 16 der männlichen Champions-League-Teilnehmer in der Saison 2008/2009 im Schnitt 59 Pflichtspiele und 230 Trainingseinheiten bestritten, waren es bei den Frauen 43 Pflichtspiele. Einzelne Frauenspielerinnen erreichen jedoch bis zu 65 Pflichtspiele, sodass die Zahl der Spiele nah beieinander liegt.

Konditionelle Leistungsfähigkeit

Laufleistung: Nach einer Studie von Mohr et al. (2008) konnten keine Differenzen zwischen Männern und Frauen bezüglich der Gesamtlaufleistung nachgewiesen werden. Die durchschnittlichen Laufleistungen liegen zwischen 10 und 12 Kilometern pro Spiel.

Laufintensitäten: Wie bei den Männern steigen die Laufintensitäten mit zunehmender Spielklasse. Frauenspielerinnen erreichen im Spiel jedoch signifikant geringere Laufleistungen im Bereich höherer Intensitäten. Während bei Frauen etwa 1680 Meter im hochintensiven Bereich absolviert werden, sind es bei Männern 2430 Meter. Dabei muss beachtet werden, dass Männer generell höhere Geschwindigkeitswerte erreichen können. Deshalb ist ein Vergleich schwierig, wenn gar nicht zulässig.
In einem leistunsdiagnostischen Setting erreichen Männer jedoch höhere Laufgeschwindigkeiten bei Laktatwerten im Blut von 4 mmol/L als die Frauen.

Sprintfähigkeiten: Männer erreichen signifikant bessere Wert in Bezug auf die lineare Sprintgeschwindigkeit und nicht-lineare Sprintgeschwindigkeit.

Sprungfähigkeit: Auch im Squat-Jump und Countermovement-Jump erzielen die Männer höhere Werte als die Frauen.

Talktics-Fazit
Obwohl diese Untersuchungen bereits einige Jahre alt sind, decken sie nach wie vor geltende Unterschiede zwischen dem Frauen- und Männerfußball auf. Die Unterschiede auf konditioneller Ebene (Laufleistung und -intensität) scheinen zum Teil geringer als erwartet. Im Bereich der Schnelligkeit und Sprungfähigkeit sind deutliche, naturgegebene, Unterschiede vorhanden. Diese können trotz modernster Trainingsmethoden und -technologien nicht kompensiert werden.
Um den Frauenfußball trotzdem voran zu bringen, sollte an den infrastrukturellen Voraussetzungen sowie verbesserten professionellen Bedingungen gearbeitet werden. Hierzu sind allerdings finanzielle Mittel unumgänglich, die den meisten Frauenteams nicht zur Verfügung stehen. Hier steht der DFB in der Pflicht, die Arbeit im und mit dem Frauenfußball zu verstärken, um international konkurrenzfähig zu bleiben.

Jansen, C., Baumgart, C., Hoppe, M. W., Thomann, R., & Freiwald, J. (2011). Geschlechtsspezifische Besonderheiten der konditionellen Anforderungen im Hochleistungsfußball der Frauen. Sport-Orthopädie-Sport-Traumatologie-Sports Orthopaedics and Traumatology27(1), 13-17.

Freiwald, J., Baumgart, C., Hoppe, M. W., Jansen, C., Cardoso, M., & Schneider, U. (2011). Ressourcenmodell, Leistungsdiagnostik und Training der konditionellen Fähigkeiten im Frauen-und Männerfußball. Sport-Orthopädie-Sport-Traumatologie-Sports Orthopaedics and Traumatology27(1), 27-34.

Stress im Trainerjob? Wie beansprucht sind deutsche Trainer?

Der Trainerjob kann phasenweise sehr stressig sein. Doch was genau löst Stress aus? Und wie unterscheiden sich das Belastungsempfinden und die Erholungsfaktoren von hauptamtlichen, nebenberuflichen und ehrenamtlichen Trainern?

Der Trainerjob kann phasenweise sehr stressig sein. Doch was genau löst Stress aus? Und wie unterscheiden sich das Belastungsempfinden und die Erholungsfaktoren von hauptamtlichen, nebenberuflichen und ehrenamtlichen Trainern?

Analyse der Beanspruchungs- und Erholungsbilanz deutscher Trainer (Altfeld & Kellmann, 2014)

Ziel der Studie

In dieser Untersuchung sollte die Bilanz zwischen Erholung und Bilanz deutscher Trainer/innen analysiert werden. Dabei wurden sowohl haupt- und nebenberufliche als auch ehrenamtliche Trainer/innen betrachtet.

Theoretischer Hintergrund

Da Trainer/innen einer Vielzahl von Belastungen ausgesetzt sind (Zeitaufwand, Erfolgsdruck, Erwartungen der Familie, etc.), die als „stressend oder beanspruchend erlebt werden können“, können diese kurzzeitige Leistungseinbußen und langfristige gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Nachdem in der Vergangenheit hauptsächlich die Belastung der Athleten untersucht wurden, ist es ein notwendiger und logischer Schritt auch die Trainer/innen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Methode & Design

Die Stichprobe setzte sich aus 296 Trainer und Trainerinnen (66 Frauen und 230 Männer) mehrerer Mannschafts- und Individualsportarten zusammen, wie z.B. Fußball, Basketball, Tennis oder Schwimmen. Unter den Trainern/innen mit einem Altersschnitt von 37.41 Jahren waren sämtliche Ausbildungsniveaus vertreten, von keiner Lizenz und Übungsleitern bis zu Diplomtrainern und A-Lizenz-Inhabern. Sie verteilten sich folgendermaßen auf die verschiedenen Anstellungsverhältnisse: 78 hauptberufliche, 114 nebenberufliche und 104 ehrenamtliche Trainer/innen.

All diese Trainer unterzogen sich dem Erholungs-Belastung-Fragebogen für Trainer (EBF-Trainer). Dieser besteht aus 77 Items zur Erfassung potenzieller Belastungen und Erholungsaktivitäten der letzten drei Tage und Nächte.

Folgende Faktoren wurden damit erhoben:

  • Allgemeine Beanspruchung (Allgemeine Beanspruchung, Soziale Beanspruchung, Soziale Beanspruchung, Konflikte/Leistungsdruck, Übermüdung, Energielosigkeit, Somatische Beanspruchung)
  • Allgemeine Erholung (Erfolg, Soziale Erholung, Somatische Erholung, Allgemeine Erholung, Schlaf)
  • Trainerspezifische Beanspruchung (Gestörte Pause, Emotionale Erschöpfung)
  • Trainerspezifische Erholung (Persönliche Verwirklichung, In-Form-sein, Motivation als Trainer, Erfolg als Trainer, Selbstwirksamkeitsüberzeugung)

Die Fragen bezogen sich jeweils auf die Häufigkeit der Vorkommnisse und konnten von 0 (= „nie“) bis 6 (= „immerzu“) beantworten werden. Zusätzlich konnten sich die Probanden in zwei offene Fragen am Ende der Erhebung zu positiven bzw. negativen Ereignissen der vergangenen vier Wochen äußern.

Ergebnisse

Mittelwertprofile des EBF-Trainer für hauptberufliche, nebenberufliche und ehrenamtliche Trainer/innen (N = 296) mit Ergebnissen des Gruppenvergleichs (Altfeld & Kellmann, 2014)
  • Hauptberufliche Trainer/innen sind höher sozial beansprucht als nebenberufliche und ehrenamtliche Trainer/innen
  • Zudem haben sie signifikant geringere Werte im Bereich der Sozialen Erholung, dafür höhere Werte der Emotionalen Erschöpfung
  • Auch die Allgemeine Erholung ist deutlich niedriger ausgeprägt als die der nebenberuflichen Trainer/innen
  • Ehrenamtliche Trainer/innen zeigen höhere Werte der Emotionalen Erschöpfung als nebenberufliche Trainer/innen
  • Die häufigsten Belastungen für Trainer/innen sind Probleme mit den Athleten (16.7%), berufliche Belastungen (11.6%), Probleme mit Familie/Partner/Freunden (11.3%), Probleme mit dem Vorstand/Management (10.6%) und der zeitlich/organisatorische Aufwand (10.3%)
  • Die Erholungsfaktoren sind vor allem Urlaub/Freizeit (46.5%), positive Ereignisse mit Familie/Partner/Freunden (15.1%), positive Ereignisse bezüglich des Wettkampfs (12.0%) oder positive Ereignisse mit Athleten (8.1%)

Talktics-Fazit
Ein Großteil der Belastungs- und Erholungsfaktoren aller Trainer bezieht sich auf zwischenmenschliche bzw. soziale Aspekte (Probleme mit Athleten/Familie/Freunde/Vorstand, positive Ereignisse mit Familie/Partner/Freunden/Athleten). Dies verdeutlicht die immense Bedeutung von zwischenmenschlichen Kompetenzen, die soziale Konflikte vorbeugen und Potenziale der Erholung anhand von sozialen Kontakten schaffen können. Sowohl die bundesweiten Trainerausbildungen als auch die letztendliche Trainerarbeit sollten deshalb ein größeres Augenmerk auf die sozialen Beziehungen legen.

Ein weiterer auffälliger Punkt ist der zeitlich/organisatorische Aufwand, der als belastend wahrgenommen werden kann. Dem gegenüber stehen Urlaub/Freizeit als Erholungsfaktor. Hier gilt es für jeden Trainer selbst, eine gesunde Balance zu schaffen, um leistungsfähig zu bleiben und keine gesundheitlichen Einschränkungen davon zu tragen. Nicht alles sollte dem Trainerjob untergeordnet werden, stattdessen können andere Hobbys oder Zeit mit bedeutsamen Personen als Erholungsquelle dienen.

Altfeld, S., & Kellmann, M. (2015). Analyse der Beanspruchungs-und Erholungsbilanz deutscher Trainer. Zeitschrift für Sportpsychologie.

Vom Talent zum Profi – Psychosoziale Faktoren der Talententwicklung

Selten reicht allein das fußballerische Talent eines Spielers aus, um Profi zu werden. Stattdessen entscheiden auch psychologische und soziale Bedingungen über die Entwicklung des Spielers. Doch welche einzelnen Faktoren sind es, die hierbei eine erfolgreiche Karriere begünstigen? Und wie kann ich als Trainer die Talententwicklung positiv beeinflussen?

Selten reicht allein das fußballerische Talent eines Spielers aus, um Profi zu werden. Stattdessen entscheiden auch psychologische und soziale Bedingungen über die Entwicklung des Spielers. Doch welche einzelnen Faktoren sind es, die hierbei eine erfolgreiche Karriere begünstigen? Und wie kann ich als Trainer die Talententwicklung positiv beeinflussen?

Psychosocial factors associated with talent development in football: A systematic review (Gledhill, Harwood & Forsdyke, 2017)

Ziel der Studie

Diese Übersichtsarbeit verfolgt das Ziel, einen Überblick der psychosozialen Faktoren zu schaffen, die mit der Talententwicklung im Fußball assoziiert sind.

Theoretischer Hintergrund

Der Begriff „psychosozial“ beschreibt dabei die Interaktionen aus sozialen Einflüssen (wie Eltern, Freunde) und individuellen psychologischen Charaktereigenschaften, die zu Verhaltensweisen führen, die wiederum die Talententwicklung im Fußball beeinflussen. Ein wissenschaftlicher Überblick kann dabei Vereinen und Trainern helfen, die jungen Nachwuchsathleten angemessen zu unterstützen und zu fördern.

Methode & Design

Im Rahmen dieses Reviews wurden Online-Plattformen und wissenschaftliche Datenbanken nach Studien in Bezug auf die psychosozialen Faktoren der Talententwicklung durchsucht. Alle potenziellen Studien wurden kritisch analysiert und von unabhängigen Gutachtern beurteilt. Insgesamt erfüllten 43 Studien die notwendigen Kriterien.

Ergebnisse

Die 43 Studien umfassten insgesamt 14 977 Probanden, darunter Spieler, Trainer und andere sozialrelevante Personen (Lehrer, Koordinatoren). Es konnten 48 psychosoziale Faktoren gefunden werden, die mit der Talententwicklung im Fußball zusammenhängen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass soziale und psychologische Faktoren miteinander verbunden sind und das Entwicklungsverhalten der Nachwuchssportler beeinflussen.

Die 48 Faktoren wurden in drei Kategorien eingeteilt: psychologische Faktoren, externe soziale Faktoren und Verhaltensindikatoren des Spielers. Diese Klassifikation wird im folgenden Schaubild dargestellt.

Talktics-Fazit
Die Studie offenbart eine Vielzahl von psychosozialen Einflussfaktoren auf die Talententwicklung. Viele dieser Einflüsse hängen unmittelbar miteinander in Verbindung (z.B. Engagement mit Entschlossenheit oder soziale Unterstützung mit Familienstruktur) und können schwer alleinstehend betrachtet werden. Zusätzlich kann nicht von einer idealen Gesamtkonstellation an Einflussfaktoren gesprochen werden. Stattdessen scheint gerade die individuelle Kombination der einzelnen Faktoren die Talententwicklung zu begünstigen oder eben zu verhindern.
Da ein Trainer nicht sämtliche psychosozialen Faktoren seiner Spieler kennen kann, besteht seine Aufgabe darin, einzelne Potenziale und Mängel zu identifizieren. Dazu ist ein empathischer und kommunikativer Umgang mit den Spielern notwendig, aus dem der Trainer die individuellen Anforderungen des Spielers ableiten kann. Passt der Trainer seinen Umgang mit dem Spieler entsprechend an, kann er als weitere soziale und psychologische Unterstützung dienen und somit eine positive Talententwicklung ermöglichen.

Gledhill, A., Harwood, C., & Forsdyke, D. (2017). Psychosocial factors associated with talent development in football: A systematic review. Psychology of Sport and Exercise31, 93-112.

Wie verhalten sich Trainer im Spiel und warum?

Ein Großteil seiner Arbeit leistet ein Trainer im Training. Während im Jugendbereich zwei oder drei Trainingseinheiten pro Woche angesetzt sind, findet in der Regel nur ein Spiel statt. Dennoch werden Trainer nach ihren Erfolgen in den Spielen bewertet. Wie wirken sich diese Umstände auf das Verhalten im Spiel aus?

Ein Großteil seiner Arbeit leistet ein Trainer im Training. Während im Jugendbereich zwei oder drei Trainingseinheiten pro Woche angesetzt sind, findet in der Regel nur ein Spiel statt. Dennoch werden Trainer nach ihren Erfolgen in den Spielen bewertet. Wie wirken sich diese Umstände auf das Verhalten im Spiel aus? Und welche Mechanismen sind dafür verantwortlich? Die beiden englischen Forscher Partington und Cushion haben sich 2012 mit dieser Fragestellung auseinandergesetzt.

Performance during performance: using Goffman to understand the behaviours of elite youth football coach during games (Partington, Cushion, 2012)

Ziel der Studie

Diese Untersuchung machte sich nicht nur zum Ziel die Verhaltensweisen professioneller Jugendtrainer unter Wettkampfbedingungen zu beobachten, sondern auch zu ermitteln, welche sozialen, kontextuellen und erfahrungsbedingten Faktoren das Verhalten beeinflussen.

Theoretischer Hintergrund

In der Forschung lag der Fokus aus Gründen der einfachen Umsetzung häufig auf Beobachtungen der Trainingsarbeit. Jedoch ist zu erwarten, dass sich das Verhalten unter Wettkampfbedingungen davon unterscheidet. Außerdem erscheint es logisch, dass das Coaching im Spiel stark von den komplexen Bedingungen des Wettkampfs beeinflusst wird. Diese Bedingungen sollen in dieser Studie untersucht werden.

Methode & Design

An der Studie nahmen zwölf englische professionelle Nachwuchstrainer teil. Ihr Alter lag zwischen 18 und 52 (M = 32 Jahre; SD = 11.14 Jahre) bei einer durchschnittlichen Trainererfahrung von acht Jahren. Alle Trainer arbeiteten für ein englisches Leistungszentrum („Centre of Excellence“) im U10 bis U16-Alter. Acht der Trainer hatten bereits die UEFA-B-Lizenz erworben, die übrigen vier Trainer absolvierten die Qualifikationsmaßnahmen zur selben Lizenz. Die Daten wurden zwischen November und März, also über 5 Monate erhoben.

Die Trainer wurden in den regelmäßigen Spielen gegen Mannschaften anderer Leistungszentren systematisch durch das CAIS (Coach Analysis and Intervention System) beobachtet. Die Beobachtungsdaten der insgesamt 28 Spiele wurden anschließend analysiert.

Als Ergänzung der deskriptiven Daten wurden zudem Interviews geführt, um ein tieferes Verständnis für die Beweggründe der Trainer zu erlangen. Jeder Trainer wurde zweimal für 30 bis 60 Minuten zu ihrem Verhalten im Wettkampf interviewed.

Ergebnisse

  • Die häufigste Verhaltensweise waren Instruktionen (33.29%), darunter vor allem Instruktionen während des Spiels (23.78%)
  • Trainer wollen ihre Teilnahme und ihr Engagement am Spiel verdeutlichen
    („It is important that others know that I am doing something, that I am coaching and involved in the game, so I make sure I’m constantly active.“)
  • Trainer ahmen die Verhaltensweisen anderer Trainer nach, um sich gut zu präsentieren
    („It is important to look like a coach to give the right impression, I try to look like other coaches I’ve seen.“)
  • Trainer lassen sich von anderen beeinflussen
    („As a coach a number of people affect what I do… players, other coaches, parents.“)
  • Trainer höherer Altersklassen sowie ehemalige Profis erhalten mehr Respekt
    („Coaches who have played professional football have the respect of others [players, parents, other coaches] from the start.“)

    → Statt sich an pädagogischen Prinzipien und den Bedürfnissen der Spieler zu orientieren, sind die Verhaltensweisen im Wettbewerb mehr „trainer-zentriert“. Trainer greifen dabei auf traditionelle Verhaltensweisen zurück, um sich gut zu präsentieren und den Respekt Außenstehender zu erlangen (andere Trainer, Eltern, etc.).

Talktics-Fazit
Die Erkenntnis, dass sich das Verhalten von Trainern in Wettkampfsituationen so stark von den situativen und kontextuellen Bedingungen beeinflussen lässt, sollte einigen Trainern und Vereinen zu denken geben. Auch im Wettkampf sollten die Spieler und deren Entwicklung im Mittelpunkt der Trainerarbeit stehen, statt des eigenen „Standings“ im Verein. Dazu müssen aber auch die Vereine entsprechende Voraussetzungen schaffen: Entwicklung statt Ergebnisse, Jobsicherheit und allgemeine Wertschätzung.
Außerdem sollte Individualität nicht nur bei Spielern, sondern auch bei Trainern erlaubt sein. Natürlich sollte sich jeder Trainer dem Verein und seiner Philosophie unterordnen, aber nicht jeder Trainer muss das gleiche denken, machen und trainieren.

Partington, M., & Cushion, C. J. (2012). Performance during performance: Using Goffman to understand the behaviours of elite youth football coaches during games. Sports Coaching Review1(2), 93-105.

Wie hängen kognitive Funktionen mit fußballerischen Fähigkeiten zusammen?

Kognitiven Funktionen wird eine besondere Bedeutung für den Fußball nachgesagt. Doch wie hängen die kognitiven Fähigkeiten tatsächlich mit fußballspezifischen Fähigkeiten zusammen?

In letzter Zeit bekommt man auf den sozialen Kanälen zahlreiche Übungen und Videos vorgeschlagen, die sich mit den kognitiven Funktionen oder Fähigkeiten beschäftigen. Ihnen wird eine besondere Bedeutung für den Fußball nachgesagt. Doch wie hängen die kognitiven Fähigkeiten tatsächlich mit fußballspezifischen Fähigkeiten zusammen?

The Relationship between cognitive functions and sport-specific motor skills in elite youth soccer players (Scharfen & Memmert, 2019)

Ziel der Studie

Mit dieser Studie sollte der Zusammenhang zwischen grundlegenden kognitiven Funktionen und fußballspezifischen Fähigkeiten von NLZ-Spielern untersucht werden. Da sich die bisherige Forschung fast ausschließlich auf die kognitiven oder motorischen Fähigkeiten von Jugendspielern im Einzelnen fokussiert hat, ist eine Verknüpfung beider Aspekte dringend notwendig. Davon könnten vor allem die Talentsuche und Talentförderung profitieren.

Theoretischer Hintergrund

Unter kognitiven Fähigkeiten versteht man das Aufnehmen und Identifizieren von Umweltinformationen, sowie die Einordnung dieser Informationen in das bestehende Wissen. Eine bedeutsame Teilgruppe dieser kognitiven Fähigkeiten sind die exekutiven Funktionen (EF). Diese lassen sich in drei Kategorien unterteilen:

  • Arbeitsgedächtnis: die Fähigkeit, Informationen kurzzeitig zu speichern
  • Kognitive Flexibilität: die Fähigkeit, sich auf neue Anforderungen schnell einzustellen
  • Inhibition: die Fähigkeit, eigene Reaktionen oder eigenes Verhalten zu hemmen

In Forschungsfeldern außerhalb des Fußballs konnten bereits Zusammenhänge zwischen kognitiven und motorischen Fähigkeiten aufgedeckt werden.

Methode & Design

An der Studie nahmen 15 Spieler eines deutschen Nachwuchsleistungszentrums teil. Die Spieler waren im Schnitt 12.72 Jahre alt und spielten seit durchschnittlich 5.2 Jahren Fußball.

Die kognitive Testung wurde vor dem Fußballtraining durchgeführt und dauerte etwa eine Stunde. Sie umfasste folgende vier Test zur Erfassung der exekutiven Funktionen sowie der visuellen Aufmerksamkeitsausrichtung: attention window task (AWT), working memory span test (WM), perceptual load test (PL), motion object tracking test (MOT).

Die motorischen Tests wurden bereits vier Monate zuvor im Rahmen des DFB-Talentförderprogramms durchgeführt (sportmotorische Tests). Darunter fallen folgende motorischen und fußballerischen Fähigkeiten: Linearsprint (10 und 20 Meter), Richtungswechselsprint, Dribbling, Ballkontrolle (inkl. Passspiel), Jonglieren.

Sowohl für die kognitiven als auch die motorischen Tests wurde jeweils ein Gesamtscore ermittelt, der alle Ergebnisse der einzelnen Tests inkludiert.

Ergebnisse

  • MOT und PL korrelierten mit keinem der motorischen Tests
  • Die visuelle Aufmerksamkeitsausrichtung (gemessen durch den AWT) hängt mit dem Dribbling zusammen (0.66)
  • Das Arbeitsgedächtnis scheint mit motorischen Fähigkeiten verknüpft zu sein, da der WM mit Dribbling (0.56), Ballkontrolle (0.67), Jonglieren (0.73) und dem Gesamtscore (0.55) korrelierte
  • Die Gesamtscores der kognitiven und motorischen Fähigkeiten wiesen eine signifikante und hohe Korrelation (0.61) auf, wodurch ein Zusammenhang bestätigt werden kann

Talktics-Fazit
Die fehlenden Zusammenhänge des MOT und PL mit den motorischen Fähigkeiten könnten darauf zurückzuführen sein, dass in den motorischen Tests des DFB keine vergleichbaren Aufgaben (mit z.B. mehreren Objekten, die es zu beobachten gilt) gestellt werden. Diese Ergebnisse sollten deshalb nicht überbewertet werden.
Gerade die hohe Korrelation der beiden Gesamtscores offenbart jedoch die Bedeutung der kognitiven Fähigkeiten für den Fußball.
Da die Studie nicht längsschnittlich durchgeführt wurde, lassen sich keine kausalen Aussagen treffen: es bleibt unklar, ob die kognitiven Fähigkeiten die motorischen Fähigkeiten begünstigen oder umgekehrt. Ein enges Zusammenspiel scheint aber bestätigt.
Für die Talentsichtung oder die Talentförderung lassen sich noch keine konkreten Maßnahmen ableiten. Aufgrund bestehender Zusammenhänge sollte dem kognitiven Training dennoch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das muss nicht immer durch einzelne Tests oder Übungen geschehen, stattdessen lassen sich kognitive Aufgaben auch in normale Übungs- und Spielformen einbauen.

Außerdem sind wir uns sicher: Weitere Forschungsarbeiten werden das Zusammenspiel von Kognition und Motorik zeitnah aufklären. Auch wir werden uns deshalb weiterhin damit beschäftigen und euch davon berichten!


Scharfen, H. E., & Memmert, D. (2019). The Relationship Between Cognitive Functions and Sport-Specific Motor Skills in Elite Youth Soccer Players. Frontiers in psychology10.

Entscheidungsfindung und visuelle Wahrnehmung als Unterscheidungsmerkmal von jugendlichen Fußballern?

Wie funktionieren Entscheidungsprozesse im Fußball und wie unterscheiden sich Jugendspieler verschiedener Leistungsniveaus darin?

Amateure und Profispieler unterscheiden sich häufig nur geringfügig in technischen oder taktischen Aspekten. Stattdessen sind es vor allem physische Aspekte (wie Ausdauer und Dynamik) oder die Fähigkeit, auf dem Fußballplatz handlungsschnell zu agieren. Eine Teilkomponente dieser Handlungsschnelligkeit ist die Entscheidungsfindung, die der letztendlichen Handlung (z.B. ein Pass, ein Schuss) vorausgeht. Doch wie funktionieren Entscheidungsprozesse im Fußball und wie unterscheiden sich Jugendspieler verschiedener Leistungsniveaus darin?

Mechanisms Underpinning Successful Decision Making in Skilled Youth Soccer Players: An Analysis of Visual Search Behaviors (Vaeyens, Lenoir, Williams & Philippaerts, 2010)

Ziel der Studie

Diese Untersuchung setzte sich zum Ziel die Mechanismen aufzudecken, die erfolgreiche Entscheidungen von jungen Fußballspielern begünstigen.

Theoretischer Hintergrund

Talentierte Athleten zeigen höhere Leistungen in der Entscheidungsfindung als weniger talentierte Athleten. Dabei ist eine Vielzahl von Wahrnehmungs- und kognitiven Fähigkeiten beteiligt, die eine flexible und schnelle Abwägung von potenziellen Lösungen ermöglicht. Die genauen Mechanismen sind jedoch nicht endgültig geklärt, weshalb in dieser Studie die Entscheidungsfähigkeiten in Abhängigkeit des visuellen Suchverhaltens („visual search behavior“) betrachtet wurden.

Methode & Design

An der Studie nahmen Jugendliche verschiedener Leistungsniveaus teil („elite“, „subelite“ und „regional“), die im Schnitt zwischen 14 und 15 Jahren alt waren. Die „Elite“-Spieler spielten in einer Jugendmannschaft eines Erstligisten, die „Subelite“-Spieler in Jugendmannschaften von Zweit- oder Drittligisten und die „Regional“-Spieler in regionalen Jugendteams. Die durchschnittliche Erfahrung im Fußball lag bei den „Elite“-Spielern (8.5 Jahre) etwas höher als die der „Subelite“-Spieler (8.2 Jahre) und der „Regional“-Spieler (7.3 Jahre).

Die Wahrnehmungsfähigkeiten sowie kognitiven Fähigkeiten wurden anhand von Fußballszenen erhoben, die Spielsituationen eines zentralen offensiven Mittelfeldspielers simulierten. Den Probanden wurden Szenarien verschiedener Spielerzahlen vorgespielt (z.B. 2 vs. 1 oder 5 vs. 3).
Das visuelle Suchverhalten (Beobachtung der Spielsituation) wurde anhand des „eye-head integration“ (EHI) gemessen, durch das die Augenbewegungen und -fixationen getrackt werden können.

Die Probanden standen vor einer lebensgroßen Leinwand, auf der insgesamt 33 Spielszenen abgespielt wurden. Die Szenen waren so aufgenommen, dass sich die Spieler selbst als ein Teil der Spielsituation sehen konnten. Sobald sie angespielt wurden, hatten sie drei Möglichkeiten, um in echt auf die Situation zu reagieren:

  1. Ball zu einem Spieler auf der Leinwand passen
  2. Den Ball auf das Tor schießen
  3. Sich bewegen, um ein Dribbling einzuleiten

Die Entscheidungen wurden mit den (durch sieben Trainer) festgelegten idealen Lösungsmöglichkeiten abgeglichen. So konnten zwei Gruppen gebildet werden: eine erfolgreiche und eine weniger erfolgreiche Gruppe in den Entscheidungsfähigkeiten. Zusätzlich wurden die visuellen Daten analysiert und schließlich alle Daten ausgewertet.

Vaeyens, Lenoir, Williams & Philippaerts, 2010

Ergebnisse

  • In der erfolgreichen Gruppe waren deutlich mehr Spieler der höheren Leistungsniveaus („elite“ und „subelite“)
  • Ein Großteil der „regionalen“ Spieler ordnete sich in der weniger erfolgreichen Gruppe ein
  • Erfolgreiche Spieler treffen mehr tor-orientierte Entscheidungen (Torschuss oder zielführender Pass in Richtung des Tores)
  • Erfolgreiche Spieler entscheiden sich schneller
  • Erfolgreiche Spieler fixieren länger Spieler in Ballbesitz und wechseln mit höherer Frequenz zwischen diesem Spieler und anderen Bereichen des Feldes

Talktics-Fazit
Wie erwartet bestätigt sich folgende Aussage: Talentierte Fußballer treffen häufig bessere Entscheidungen als weniger talentierte Spieler. Hinzu kommt, dass sie auch schneller Entscheidungen treffen, was nicht zuletzt an den Unterschieden in der visuellen Wahrnehmung liegt. Was bedeutet das für den Trainer?

Trainer sollten versuchen jede Trainingseinheit das bestmögliche Setting für eine Verbesserung dieser Fähigkeiten zu schaffen. Dieses Setting enthält möglichst viele Situationen und Momente, in denen die Wahrnehmung sowie das Treffen von Entscheidungen gefragt ist. Dazu eignen sich vor allem Spielformen oder spielnahe Übungsformen mit verschiedenen Handlungsoptionen.
Zudem sollten Trainer aufhören eine „richtige“ Lösung vorzugeben, stattdessen müssen Spieler selbstständig Entscheidungen treffen können. Der Trainer kann diesen Lernprozess durch z.B. divergente Fragen unterstützen.
Ergänzend kann der Trainer seine Spieler für die Aspekte der visuellen Wahrnehmung sensibilisieren, indem er diesen leistungsrelevanten Faktor erläutert und die Spieler auffordert, immer wieder Spielsituationen bewusst wahrzunehmen und anschließend diesen Wahrnehmungsprozess zu reflektieren.

Vaeyens, R., Lenoir, M., Williams, A. M., & Philippaerts, R. M. (2007). Mechanisms underpinning successful decision making in skilled youth soccer players: An analysis of visual search behaviors. Journal of motor behavior39(5), 395-408.